Erinnerungen an die Weihnachtszeit nach Ende des 2. Weltkrieges

Wir wohnten im Dreiländereck Deutschland, Schweiz und Frankreich.

Die Grenze zur neutralen Schweiz war in dieser Zeit für uns noch geschlossen. Zwar waren wir von Fliegerangriffen von den Alliierten durch die Grenznähe zur Schweiz verschont geblieben, trotzdem war die Not sehr groß, da es kaum Lebensmittel gab.

Um über die Runden zu kommen tauschte man Schuhsohlenbeläge aus PVC gegen Milchprodukte und Kartoffeln in den nahe liegenden Landgemeinden ein. Ich hatte noch drei Geschwister d.h. wir waren eine 6-köpfige Familie. Es war somit für meine Eltern sehr schwierig für uns Kinder die notwendigen Nahrungsmittel aufzutreiben. In dieser Situation habe ich am Abend vor dem Zubettgehen meine Mutter gefragt, ob sie noch eine Kleinigkeit zum Essen habe.

Ihr Allerweltsspruch, den ich bis heute nicht vergessen habe lautete: “ Mach den Mund und die Augen zu, dann meint der Magen es sei Nacht und somit braucht er nichts mehr.“

Was die Advents- und Weihnachtsbäckerei angeht, so war es sehr schwierig, die notwendigen Zutaten zu bekommen, denn kaufen konnte man ja so gut wie nichts. Meine Eltern hatten gute Beziehungen zu einer Frau, die die schweizerische Staatsangehörigkeit besaß. Diese Frau konnte somit die Grenze zur Schweiz passieren. So war sie für unsere Familie wie ein Engel, denn sie besorgte uns Lebensmittel aus der Schweiz, die wir sonst nie bekommen hätten. So konnte meine Mutter Lebkuchen und einige Weihnachtsbrötchen backen.

Vor Beginn der Adventszeit bastelte ich eine Laterne, die ich dann zu den wöchentlichen Rorate-Gottesdiensten früh um 6.00 Uhr mitnehmen konnte. Aus Sperrholz wurden die Teile nach vorgezeichnetem Muster mit der Laubsäge ausgesägt und die Fensteröffnungen innen mit verschiedenfarbigem Papier beklebt. Die Einzelteile wurden dann sorgfältig zusammen geklebt, mit einer Kerze bestückt und mit einem kräftigen Draht versehen. Mit einem Haltestab aus Rund- oder Vierkantholz an dessen Ende eine Öse angebracht wurde.

Am Heilig Abend durften wir den ganzen Tag ein Zimmer nicht betreten. Am frühen Abend, war es dann so weit. Meine Eltern öffneten die Türe zu diesem Zimmer. Die echten Wachskerzen am Christbaum erleuchteten den sonst dunklen Raum, den wir nun voller Erwartung betreten durften. Nachdem der Vater das Weihnachtsevangelium vorgelesen hatte, stimmte meine Mutter das Weihnachtslied „Ihr Kinderlein kommet“ an, das wir dann alle begeistert mitsangen. Hinter der Krippenanlage wurde dann eine undurchsichtige Decke hochgehoben, unter der dann wenige, bescheidene Geschenke lagen. wie z.B. ein Musikkreisel und ein Holzspielzeug. Doch Die Freude war sehr groß. Danach gab es zum Abendessen Bratwürste, Kartoffel- und Ackersalat. Zu später Stunde gingen wir dann gemeinsam zur Christmette, wobei wir bis zu unserer Kirche durch ca. 30 cm Neuschnee stapften.

Am ersten Weihnachtsfeiertag bekamen wir nachmittags Besuch von meinem Taufpaten und seiner Frau. Da wir im 3. Stock eines Mehrfamilienhauses wohnten, konnte ich vom Wohnzimmerfenster aus gut beobachten wie sie mit verschnürten Paketen auf das Haus zusteuerten. Die Spannung war natürlich sehr groß. Nach dem Kaffee trinken wurden noch einige Weihnachtslieder gesungen. Bei der anschließenden Bescherung gab mir mein Taufpate ein großes Paket, aus dem ich dann einen aus Holz geschreinerten LKW mit Anhänger auspacken konnte. Ein kleines Paket enthielt ein Lebkuchenhaus, das die Frau meines Taufpaten selbst hergestellt hatte. Da wir als Kinder in dieser Zeit ja wussten, dass es fast nichts zu kaufen gab, war die Überraschung und Freude riesengroß.

Paul

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